Jago van Bergen: "Wir haben eine kraftvolle Komposition aus Glas und Stahl geschaffen"
Ein Interview mit dem Mitbegründer von Van Bergen Kolpa Architects. Ihr Projekt war Teilnehmer des Wettbewerbs The Future Glass Prize beim WAF2022.
Aestech News
Was sind die Gegenwart und die Zukunft von Glas in der Architektur? Wir beantworten diese Frage mit Experten aus der ganzen Welt. Dies ist eine Reihe von Interviews von Aestech mit den Autoren herausragender globaler Architekturprojekte. Wir befragen sie zu ihrem Weg in der Architektur, ihrer Entwicklung und ihren Inspirationsquellen.
Wie lassen sich in der Architektur Ästhetik und Zweckmäßigkeit miteinander verbinden? Wie kann man einen Raum schaffen, der sowohl für Menschen als auch für Pflanzen angenehm ist?
Unser Interviewpartner ist Jago van Bergen, Mitbegründer von Van Bergen Kolpa Architects. Sein Projekt ist das größte (9500 m2) Forschungszentrum für urbane Landwirtschaft in Europa, das sich in Belgien befindet. Das Rooftop Greenhouse Agrotopia ist ein innovatives Gebäude. Zu seinen Merkmalen gehören die effiziente Nutzung von Raum, Energie und Wasser sowie massive, lichtdurchlässige Glasstrukturen.
Das Dachgewächshaus Agrotopia nahm am Wettbewerb The Future Glass Prize teil, der im Rahmen des World Architecture Forum 2022 (Lissabon, Portugal) stattfand. Der Wettbewerb wurde von Aestech gesponsert.
Bitte erzählen Sie uns etwas über sich. Warum haben Sie sich für Architektur entschieden?
Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, warum ich mich für Architektur entschieden habe. Vielleicht lag es daran, dass ich die Atmosphäre im Landschaftsarchitekturbüro meines Vaters mochte: große Zeichenbretter mit schönen Zeichnungen und der Geruch von Zedernstiften in allen Farben. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich gerne die Umwelt verstehe, die man mit Hilfe von großformatigen Zeichnungen und Modellen untersuchen kann.
Später wurde mir klar, dass wir die gebaute Umwelt mit der Natur und den natürlichen Ressourcen auf eine kreisförmige Weise in Einklang bringen müssen. Daher liegt unser Schwerpunkt auf der "Architektur der Lebensmittel" und der Gestaltung nachhaltiger Gebäude, die eine positive Wirkung haben.
Erzählen Sie uns die Hintergrundgeschichte zu Ihrem Projekt. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein solches Projekt zu entwickeln? Was hat Sie zu Beginn und während des Prozesses inspiriert?
Das Dachgewächshaus Agrotopia ist das größte Forschungszentrum für urbanes Gärtnern in Europa. Gemeinsam mit Meta Architectuurbureau haben wir eine europäische Ausschreibung gewonnen. Der große Umfang des Projekts und die hohen Ambitionen unseres Auftraggebers Inagro haben uns sehr inspiriert. Wir haben eine leistungsstarke Gebäudekomposition aus Glas und Stahl mit einem Standard-Gewächshausdesign nach Venloer Art entworfen.
Warum gibt es in Ihrem Projekt so viel Glas?
Dies ist ein Gewächshaus, das den Zugang zum Sonnenlicht maximiert. Dies ist wichtig, um die größtmögliche Ernte zu erzielen.
Ein Projekt dieser Größenordnung erfordert zuverlässige Partner. Haben Sie feste Partner für Ihre Projekte oder ist jedes Projekt individuell? Wie wählen Sie diese (Partner) aus und nach welchen Kriterien?
Bei den meisten unserer Projekte arbeiten wir mit Landwirtschaftsexperten der Universität Wageningen und Gartenbaupartnern aus den Niederlanden zusammen. Unsere Projekte sind international, daher hängt die Zusammensetzung des Teams vom jeweiligen Land ab. Bauingenieure, Maschinenbauingenieure und lokale Architekturpartner werden in der Stadt oder dem Land hinzugezogen, in dem sie benötigt werden.
Wie beurteilen Sie die Energieeffizienz der Verwendung von so viel Glas? Wie wirkt sich dies auf die Umwelt und das Budget aus?
Gemüsepflanzen brauchen viel Tageslicht. Unter diesen Bedingungen ist Glas eine logische Wahl. Im Inneren verwenden wir aus Gründen der Energieeffizienz transparente Wärmeschirme.
Was sind die Herausforderungen und Vorteile der Arbeit mit Glas?
Die Herausforderung und der Vorteil liegen in der Schaffung einer transparenten und dennoch kraftvollen Architektur.
Teilen Sie uns Ihre Meinung zur Aestech-Technologie mit. Welche Innovationen im Bereich Glas gefallen Ihnen?
Wir haben Aestech auf dem World Architecture Festival in Lissabon kennen gelernt. Wir waren sehr fasziniert von den rahmenlosen Glasverbindungen, die wir vielleicht in Zukunft nutzen können.
Ist es möglich, in der Architektur einen Kompromiss zwischen Ästhetik und Zweckmäßigkeit zu finden? Was ist wichtiger — Ästhetik oder Funktionalität?
Bei unseren Projekten gehen Zweckmäßigkeit und Ästhetik Hand in Hand. Das Gewächshaus zum Beispiel ist zu 100 % praktisch. Unser Entwurf fügt Funktionalität hinzu, was die Zugänglichkeit für Menschen betrifft. Wir haben Raum für Pflanzen und Menschen unter einem Dach vereint.
Welche Lösungen und Technologien würden Sie gerne in einem zukünftigen Projekt einsetzen, die Sie im aktuellen Projekt noch nicht verwendet haben?
Wir arbeiten derzeit an mehreren vertikalen Farmen ohne Tageslicht. Die Innenbeleuchtung wird ausschließlich aus LED bestehen. Eine solche Aufgabe erfordert eine neue Art von Glas. Es muss transparent sein, damit die Menschen hindurchsehen können. Andererseits darf es kein Tageslicht hereinlassen.
Nennen Sie drei Ihrer Lieblingsbaustoffe. Warum haben Sie sie ausgewählt?
Glas wegen seiner Transparenz, Beton wegen seiner Brutalität und Holz wegen seiner Wärme.
Welches sind Ihre drei liebsten Architekturprojekte? Was inspiriert Sie an ihnen?
Ich liebe die Kunsthal in Rotterdam wegen ihrer schrägen Böden und der malerischen Wege entlang der Glasfassaden. Das Pantheon in Rom beeindruckt mich jedes Mal mit seiner Kuppel und dem Loch in der Mitte. Durch sie fällt das schönste Licht in den Raum. Ich bewundere den Palacio Cristal in Madrid. Sein Gebäude scheint sich im Park aufzulösen.
Kann ein einziges Gebäude das Aussehen einer ganzen Stadt verbessern?
Ja.
Was muss die moderne Architektur aufgeben, um die Architektur der Zukunft zu werden?
Die Architektur der Zukunft sollte sich durch Nachhaltigkeit und Schönheit auszeichnen, genau wie die moderne Architektur.
Welchen persönlichen Rat können Sie jungen Architekten geben? Was müssen Sie tun, um anerkannt zu werden?
Finden Sie für sich selbst heraus, warum Sie durch Architektur einen Beitrag zur Zukunft leisten wollen.